Der Milliarden-Betrüger Bernard Madoff ist das prominenteste, aber bei weitem nicht einzige Beispiel, für die Risiken denen Investoren am Kapitalmarkt ausgesetzt sind. Die Methoden der Betrüger sind ausgetüftelt, auf die jeweilige Zielgruppe zugeschnitten und häufig auch für Fachleute nur schwer zu durchschauen. Hinzu kommt eine hohe kriminelle Energie bei der Durchführung der Betrügereien. Die Maschen sind dabei vielfältig und führen seit Jahren „zu einem fast kontinuierlichen Anstieg der registrierten Betrugsfälle.“ (Bundesministerium des Inneren: Polizeiliche Kriminalstatistik 2010)
Am bekanntesten sind wohl sogenannte Schneeballsysteme.
Die Renditeversprechen für Altanleger werden nicht aus den Unternehmensgewinnen, sondern aus den Anlagegeldern von Neuanlegern bedient. Das System bricht in dem Moment zusammen, in dem der Kapitalabfluss nicht mehr durch neu akquirierte Gelder bedient werden kann. Geschädigte in Schneeballsystemen sind immer die Anleger, die als letzte ihr Geld investiert haben und häufig einen Totalverlust ihrer Investition hinnehmen müssen. Im Fall von Bernard Madoff lag der Gesamtschaden bei rund 150 Milliarden US-Dollar. Zu den Geschädigten gehörten auch Großbanken, Institutionelle Investoren, Hedgefonds und Prominenz. (The Wallstreet Journal: Madoff´s victims, 6.3.2009)
Beliebt ist auch der Verkauf von sogenannten Schrottimmobilien durch einschlägig bekannte Vertriebe.
Unerfahrenen Kleininvestoren werden Immobilien aufgeschwatzt und ohne Besichtigung zu überhöhten Preisen verkauft. Häufig werden die Wohnungen zu 200 bis 300 Prozent des Marktwertes an den Mann gebracht. Die Masche läuft immer nach einem ähnlichen Schema: dem Kunden wird ein einmaliges Steuersparmodell von Außendienstmitarbeitern der Vertriebe angeboten. Mit im Boot sind auch Banken, die für die überteuerten Immobilienkäufe auch kurzfristig Darlehen gewähren, und sogenannte Mitternachtsnotare, die auch in den Abendstunden oder am Wochenende die Kaufverträge beurkunden. Die Vertriebe kassieren für den Verkauf solcher Schrottimmobilien unverhältnismäßig hohe Provisionen von bis zu 30 Prozent. Marktüblich sind hingegen 5 bis 7 Prozent der Kaufsumme.
Auf dem grauen Kapitalmarkt agieren verschiedene unseriöse und teilweise betrügerische Anbieter.
Die Geschäftsmodelle basieren auf unrealistischen Renditeversprechen. Der Erfolg der Investitionen scheitert an hohen Managementgebühren und Vertriebsprovisionen, die so stark an den Anlegergeldern zerren, dass eine positive Rendite für den Anleger kaum möglich ist. Teilweise besteht nicht einmal die Absicht die Gelder anzulegen, sondern die Veruntreuung der Gelder ist das eigentliche Ziel der Unternehmen. Die Schäden gehen dabei in die Milliarden und stürzen die Investoren häufig in den finanziellen Ruin. (Bundeskriminalamt: Wirtschaftskriminalität – Bundeslagebild 2010)
Klaus Nieding, Präsident des Deutschen Anlegerschutzbundes (DASB) schätzt den jährlichen volkswirtschaftlichen Schaden am grauen Kapitalmarkt in Deutschland auf 20 bis 30 Milliarden Euro. Die Spannweite der Schätzung ist auf die hohe Dunkelziffer zurückgeführt. (Handelsblatt: Welchen Schaden Betrüger anrichten, 28.8.2010)
Bei Investitionen im grauen Kapitalmarkt ist neben der Überprüfung der Geschäftsmodelle und der Produkte auch die Analyse der Seriosität des Geschäftspartners von hoher Bedeutung. Auf Anlegerseite dominiert in diesem Marktsegment der risikoaffine Investor, der bereit ist, für eine höhere Rendite, Verluste zu riskieren. Dieses klassische Merkmal des grauen Kapitalmarkts wäre an sich nicht problematisch, wenn in diesem Marktsegment kein erhöhtes Risiko des betrugsbedingten Totalverlusts drohen würde.
Investoren versuchen sich entsprechend durch Informationen und Research gegen Fehlinvestitionen und Betrug zu schützen. „Alternativ werden für intransparente und mit Ungewissheit verbundene Anlagen höhere Risikoprämien eingefordert.“ (Jaunich, Arthur Oliver: Anlagestrategie Behavioral Finance, 2008) Hierbei greifen Sie größtenteils auf zwei Arten von Quellen zurück: Presse und Ratings.
Konzerne nutzen mehrere Ratingagenturen
Große Unternehmen werden von internationalen Ratingagenturen bewertet. Bei kleinen und mittelständischen Unternehmen wird in der Regel auf Bonitätsprüfungen durch Auskunfteien zurückgegriffen, um einen Geschäftsabschluss im Vorfeld zu überprüfen.
Bei der Investition in Unternehmen, die von den großen Ratingagenturen bewertet wurden, sollten die Ratings mit Vorsicht genutzt werden. In den letzten Jahren ist das Geschäftsgebaren der Ratingagenturen nämlich in aller Munde. Insbesondere das finanzielle Abhängigkeitsverhältnis der Agenturen von ihren Auftraggebern stand im Fokus der gesellschaftlichen und politischen Kritik. „Viele deutsche Unternehmen üben heftige Kritik am Verhalten der Agenturen und bezweifeln ihre Bewertungsmethoden.“ (Rosenbaum, Jens: Der Einsatz von Ratingagenturen zur Kapitalmarktregulierung in den USA, 2004)
Durch die Finanzierungsstruktur der Agenturen sind Interessenskonflikte vorprogrammiert, die in Gefälligkeitsgutachten münden können. Größere Firmen und Konzerne sind dazu übergegangen Ratings von mehreren Agenturen anfertigen zu lassen und nur die besten Ergebnisse zu veröffentlichen. Diese Entwicklung zum sogenanntem „Rating-Shopping“ ist mindestens kritisch zu sehen.
Trotz der Problematik beim Zustandekommen der Ratings kommt den Bewertungen der drei großen Ratingagenturen, Moody´s, Standard & Poor´s und Fitch, eine überdurchschnittliche Bedeutung zu. Ausschlaggebend für den zunehmenden Einfluss der Ratings war „die Bereitschaft des Gesetzgebers, Rating zur Pflichtübung jedes Kreditgeschäfts zu machen.“ (Büschgen, Hans E., Everling, Oliver: Handbuch Rating, 2007)
Viele institutionelle Anleger, wie Pensionsfonds oder Versicherer, sind gesetzlich verpflichtet nur Wertpapiere der besten Ratingstufe zu halten und fühlten sich durch diese Vorgaben lange auf der sicheren Seite. „Erst in jüngster Zeit regten sich ernsthafte Zweifel an der Genauigkeit und Zuverlässigkeit dieser Bewertungen.“ (Arnoldi, Jakob: Alles Geld verdampft, 2009)
Die Entwicklung hat sowohl eine ökonomische als auch eine gesellschaftliche Dimension in einer ganz neuen Qualität. „Gesellschaften waren einerseits noch nie so sehr von Methoden der Risikokalkulation abhängig, wie sie das heute in der späten Moderne sind, gleichzeitig hat es jedoch noch nie soviel Diskussionen und Skepsis wegen eben dieser Methoden gegeben.“ (Arnoldi, 2009)
Eine Abwertung durch die großen Agenturen führt zu automatisierten Verkäufen durch institutionelle Anbieter mit den bekannten dramatischen Konsequenzen für den Wert der Unternehmenspapiere: Wertverfall der Aktien und Einschränkungen der Möglichkeiten zur Kapitalbeschaffung, sowie ein Abzug von Liquidität. Jakob Arnoldi bemängelt in diesem Zusammenhang ein „übertriebenes Vertrauen in die Technik, die Vernachlässigung von Mechanismen zur Risikoregulierung.“
Informationsdefizite bei kleinen und mittelständischen Unternehmen
Während die Informationsdichte über börsennotierte Konzerne und große Firmen, trotz aller Probleme mit der Qualität der Ratings, eher hoch ist, fällt die Bewertung von kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) deutlich schwieriger. Der überwiegende Teil aller Ratings bezieht sich nicht auf das Marktsegment in dem KMU tätig sind, was dazu führt, dass sowohl Transparenz als auch Informationsangebot im Segment der KMU eher niedrig ausgeprägt sind. Entsprechend ungünstig ist das Verhältnis von Informationsbedürfnis potentieller Anleger und dem Angebot an belastbaren Informationen, die von den Unternehmen zur Verfügung gestellt werden. Häufig werden Unternehmen „nur bestimmte Informationen weitergeben oder diese gezielt beeinflussen, um eine möglichst vorteilhafte Konditionengestaltung zu erreichen.“ (Steiner, Manfred, Starbatty, Nikolaus: Bedeutung von Ratings in der Unternehmensfinanzierung, 2004)
Die Folge ist eine starke Informationsasymetrie, die als problematisch für Anleger und Unternehmen zu bewerten ist. „Die Akzeptanz eines Kapitalmarktsegments für mittelständische Unternehmungen ist demzufolge hauptsächlich von der Lösung der Informationsprobleme zwischen Anleger und mittelständischer Unternehmungen abhängig.“ (Arnoldi, 2009)
Anlegern ist es gar nicht oder nur mit sehr hohem Aufwand beziehungsweise Kapitaleinsatz möglich eine fundierte Investitionsentscheidung im Bereich der KMU zu treffen. „In der Praxis treten bei der Unternehmensbewertung mittelständischer Gesellschaften nicht selten erhebliche Bewertungsunterschiede zwischen Investor bzw. Verkäufer auf.“ (Erhardt, Martin, Memminger, Peter, Rieger, Norbert: Rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten bei Private Equity-Transaktionen, 2010)
Erhöhter bankenunabhängiger Finanzierungsbedarf des Mittelstands
Gleichzeitig gibt es seit Jahren einen vermehrten Bedarf an bankunabhängigen Finanzierungen im Segment der KMU. Das Problem der Finanzierung und Kapitalbeschaffung wiegt für KMU von Natur aus schwerer als für Großunternehmen mit ihrem leichteren Zugang zum Kapitalmarkt. (Kaserer, Christoph: Private Equity goes Mittelstand, 2010)
Erst seit Mitte der 90er-Jahre hat sich in Deutschland ein nicht organisierter Markt für Beteiligungskapital entwickelt. „Wesentlichen Anteil an dieser Entwicklung hat der Markteintritt von Private-Equity-Gesellschaften.“ (Kaserer, 2010). Dennoch haben die Kreditengpässe der letzten Jahre die weiterhin bestehende Notwendigkeit einer externen, bankunabhängigen Finanzierungsstruktur für KMU deutlich hervorgehoben. Im internationalen Vergleich lässt sich zudem feststellen, „dass die Finanzierungskraft des hiesigen Kapitalmarktes gemessen an der Größe der deutschen Volkswirtschaft deutlich niedriger ist als etwa in den angelsächsischen Ländern.“ (Kaserer, 2010)
Verschärft wird die Kreditklemme unter anderem durch die verschärften Eigenkapitalvorschriften im Zusammenhang mit den Basel-II und Basel-III-Kriterien. „Deshalb fürchten zahlreiche Unternehmen, von ihren Kreditgebern vor die Tür gesetzt zu werden.“ (Keiner, Thomas: Rating für den Mittelstand, 2001). Die KMU fühlen sich aufgrund der weltweiten Kreditklemme als „Opfer einer Finanz- und Wirtschaftskrise, zu der sie selbst nichts beigetragen haben.“ (Rosen, Rüdiger von: Mittelstand und Kapitalmarkt, 2010)
Besonders schwer betroffen sind kleine Unternehmungen mit einem Jahresumsatz unter einer Millionen Euro, die teilweise komplett vom Kreditmarkt abgeschnitten sind. (Reich, Hans W.: Bedeutung und Chancen des Ratings für den Mittelstand, 2008)
Als Reaktion sind insbesondere große KMU, die aufgrund ihrer Größe in der Lage sind, dazu übergegangen, sich vermehrt am Aktienmarkt oder Grauen Kapitalmarkt zu finanzieren und somit eine Stärkung der Eigenkapitalbasis herbeizuführen, während die Finanzierung über Fremdkapital seit Jahren rückläufig ist. Hierdurch gewinnen Unternehmensbewertungen und Ratings einen steigenden Einfluss.
Gleichzeitig sind auch bei traditionellen Finanzierungswegen „die Bezüge zu den Kapitalmärkten enger geworden.“ (Rosen, 2010). Dennoch lässt sich feststellen, dass KMU in Deutschland immer noch Schwierigkeiten haben vom Wachstum der globalen Eigenkapitalmärkte zu profitieren und die Börse als Finanzierungsquelle zu nutzen. (Kaserer, 2010)
Das Dilemma bleibt sowohl für Anleger als auch mittelständische Unternehmen bestehen. Investoren haben ein Informationsdefizit, sowie ein hohes Ausfallrisiko, während gleichzeitig die Finanzierung des Mittelstands über Venture Capital in Deutschland wenig ausgeprägt ist. Als einzige Lösung bleiben die Herstellung von Transparenz im Grauen Markt sowie eine optimale Informationsversorgung der Investoren zur Vertrauensbildung.
Die Versorgung mit Informationen stellt Investoren auf den Kapitalmärkten im Allgemeinen und auf dem grauen Kapitalmarkt im Besonderen vor Herausforderungen, die es zu meistern gilt und die teilweise systemimmanent sind. Anleger in diesem Marktsegment sollten ihre Investitionen genauestens prüfen und bei Zweifeln die Finger von Investitionen im Grauen Kapitalmarkt lassen.
Der vorliegende Text ist ein Ausschnitt aus einem Konzeptpapier zur Entwicklung einer neuen Bewertungssystematik für den Mittelstand.
Autor: Johann Sternberg – Projektleiter bei der SCOREDEX GmbH
SCOREDEX ist spezialisiert auf die Bewertung von kleinen und mittelständischen Unternehmen aus der Finanz- und Immobilienbranche.
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