12 Okt. 2025

Eurobonds durch die Hintertür – Brüssels Tabubruch-Plan unter der Lupe – Die Debatte um Eurobonds ist zurück und heißer denn je. Aktuell sorgt ein Gutachten des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) für Aufsehen, das die neuesten Vorschläge der EU-Kommission als einen „Tabubruch“ beschreibt: Es entlarvt die schleichende Einführung gemeinsamer europäischer Schuldtitel, die bisher von vielen Staaten strikt abgelehnt wurden. Während das Gutachten vor den ökonomischen Risiken und politischen Konsequenzen warnt, gibt es gleichzeitig einen ebenso gewichtigen Kreis von Experten und Studien, die diese Auffassung in Frage stellen oder zumindest relativieren. Vor diesem Hintergrund beleuchtet dieser Beitrag die Kernpunkte der Debatte um die sogenannten Eurobonds, ihre wirtschaftlichen Vor- und Nachteile sowie die politische Dimension dieses fundamentalen Wandels in der EU-Finanzpolitik.

Eurobonds durch die Hintertür – die Kernaspekte im Überblick:

  • Schleichende Einführung gemeinsamer Schuldtitel

  • Gefahr von Disziplinverlust und Fehlanreizen

  • Kosten- und Haftungsrisiken für starke Länder

  • Argumente für wirtschaftliche Stabilisierung

  • Politische und rechtliche Kontroversen

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Schleichende Eurobonds durch neue Finanzinstrumente

Das IW-Gutachten stellt heraus, dass die EU-Kommission um Präsidentin Ursula von der Leyen mit ihren aktuellen Finanzierungsplänen im Prinzip Eurobonds durch die Hintertür einführt. Dabei werden neue EU-Anleihen vorgeschlagen, um unter anderem Investitionen und Verteidigungsausgaben zu finanzieren. Offiziell werden sie nicht als Eurobonds bezeichnet, doch in der Wirkung gleichen sie sehr stark gemeinschaftlichen Schuldverschreibungen. Dies stellt eine Abkehr von bisherigen Tabus dar, die eine gemeinsame Haftung für Staatsschulden strikt ablehnten. Das Gutachten warnt, dass dies eine gefährliche Dynamik auslösen könnte – von stabilitätsorientierten Haushaltsregeln bis hin zur politischen Verantwortung für Schulden anderer Mitgliedsstaaten.

Eurobonds – ​Risiko von Disziplinverlust und Fehlanreizen

Ein zentrales ökonomisches Argument gegen Eurobonds ist der Verlust fiskalischer Disziplin. Da die Verzinsung gemeinsamer Schuldtitel für schwächere Länder günstiger wird, sinkt der Anreiz, verantwortungsvoll zu wirtschaften. Das schafft Fehlanreize, die in der Vergangenheit gerade die Schuldenkrise weiter befeuert haben. Das IW-Gutachten betont, dass eine solche gemeinsame Haftung dazu führen kann, dass einzelne Staaten ihre Ausgaben nicht mehr eigenverantwortlich steuern und der Marktmechanismus der Risikobewertung außer Kraft gesetzt wird. Das wiederum erhöht die Gefahr, dass krisenhafte Entwicklungen entstehen, die von allen Mitgliedern getragen werden müssen – ungeachtet der individuellen Schuld.

Kosten- und Haftungsrisiken für wirtschaftlich starke Länder

Deutschland und andere starke Volkswirtschaften könnten erheblich höhere Kosten tragen müssten. Das Gutachten rechnet vor, dass Eurobonds langfristig bei der Zinsbelastung der deutschen Staatsanleihen um fast 0,8 Prozentpunkte steigen könnten, was immense Mehrkosten bedeutet. Die Haftung für die Risiken anderer Staaten kann die Bonität schwächen und die Finanzierungsbedingungen verschlechtern. Dies wird von zielorientierten Befürwortern oft als übertriebene Risikoangst dargestellt, doch in der aktuellen Analyse des IW ist die Gefahr real und quantifizierbar. Daraus resultiert eine politische Spannung zwischen Solidaritätsforderungen und Eigenverantwortung.​

Befürworter: Stabilisierung, Effizienz und globale Bedeutung

Im Gegensatz zu den Risiken sehen viele Ökonomen Eurobonds als Chance zur Stärkung der Eurozone. Studien und Experten weisen darauf hin, dass gemeinsame Anleihen die Stabilität durch Diversifikation der Risiken erhöhen können. Ein liquider europäischer Kapitalmarkt könnte zu günstigeren Refinanzierungskosten führen und den Euro als globale Reservewährung stärken. Zudem helfen gemeinsame Bonds, Ansteckungseffekte und spekulative Angriffe auf einzelne Staaten zu vermindern – was in Krisenzeiten für mehr Sicherheit sorgen könnte. Modelle wie die „Blue Bonds“ zeigen, wie eine begrenzte gemeinsame Emission sinnvoll und beherrschbar gestaltet werden kann.

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Eurobonds – Politische und rechtliche Dimensionen der Debatte

Die Einführung von Eurobonds ist nicht nur eine wirtschaftliche, sondern vor allem eine politische Frage. Das Gutachten unterstreicht die Risiken eines Tabubruchs mit erheblicher politischer Sprengkraft. Rechtlich gibt es Bedenken hinsichtlich des EU-Vertrags (Beistandsverbot Art. 125 AEUV) sowie nationaler Haushaltsregelungen, die strenge Haftungsbegrenzungen vorsehen. Die Debatte spiegelt auch die Spannungen in der EU wider: Während einige Staaten eine vertiefte Integration und Solidarität begrüßen, machen andere den Erhalt von nationaler Haushaltsautonomie und Kontrolle zur Priorität.

Fazit

Die Diskussion um Eurobonds ist komplex und kontrovers. Das IW-Gutachten warnt vor erheblichen wirtschaftlichen und politischen Risiken durch eine schleichende Vergemeinschaftung von Staatsschulden. Dem gegenüber stehen zahlreiche Studien und Experten, die die Vorteile gemeinsamer Anleihen für Stabilität, Risikoabsicherung und den Kapitalmarkt hervorheben. Letztlich entscheidet die politische Willensbildung in der EU über den Weg, ob Eurobonds durch die Hintertür kommen oder ob der bisherige Tabubruch verhindert wird. Für Unternehmen, Investoren und Bürger bleibt die Entwicklung ein wesentliches Thema für die Zukunft Europas.

Was sind Eurobonds und warum sind sie umstritten?

Eurobonds sind gemeinsame europäische Staatsanleihen, bei denen alle EU-Mitgliedstaaten kollektiv für die Schulden haften. Sie sind umstritten, weil sie die nationalen Haftungsgrenzen aufheben und fiskalische Disziplin durch gemeinschaftliche Schuldenhaftung gefährden können.

Was bedeutet „Eurobonds durch die Hintertür“?

Der Ausdruck beschreibt, dass die EU-Kommission mit neuen Finanzinstrumenten faktisch Eurobonds einführt, ohne dies offen zu benennen. Das kritische IW-Gutachten warnt, dass dies ein Tabubruch ist, da gemeinsame Haftung stillschweigend etabliert wird.

Welche ökonomischen Risiken sehen Kritiker von Eurobonds?

Kritiker befürchten Disziplinverlust bei Staatsausgaben, steigende Kosten und Zinsbelastungen für starke Länder wie Deutschland, sowie die Gefahr einer dauerhaften Transferunion, die langfristig Haftungsrisiken und Schuldenberge erhöhen könnte.

Gibt es auch Vorteile oder Gegenargumente für Eurobonds?

Ja, viele Ökonomen argumentieren, dass Eurobonds Liquidität schaffen, die Finanzierungskosten senken, die Stabilität der Eurozone stärken und den Euro als globale Reservewährung fördern könnten, wenn sie maßvoll und mit klaren Regeln umgesetzt werden.