27 Feb 2024

Vertragshilfe24 – Eigentlich ist es doch gut, wenn mein Lebensversicherungskonzern nicht pleitegehen kann, in den ich für meine Altersvorsorge einzahle. Blöd nur, wenn das nicht die Aktionäre des Konzerns selbst tun. Oder der Staat und die Steuerzahler als Solidargemeinschaft. Sondern, wenn ganz allein ich als Kunde bezahlen muss, wenn der Konzern in Schieflage gerät.

Der Paragraph 163 VVG, also des Versicherungsvertragsgesetzes für Lebensversicherungen, erlaubt den Lebensversicherungs-Konzernen, völlig einseitig nachträglich meine Prämien zu erhöhen oder auch einseitig nachträglich die Leistungen zu kürzen.

Ich als Kunde habe nicht mal ein Mitspracherecht.

Das regt auch den Hamburger Lebensversicherungs-Insider Sven Enger (58) auf. Enger warnt auf Vetragshilfe24.de vor einem finanziellen Desaster, in das dieser Paragraph 163 VVG Menschen stürzen kann, falls sie eine Lebensversicherung besitzen.

Obwohl Sven Enger 15 Jahre lang Chefposten bei Lebensversicherungs-Konzernen bekleidet hat (unter anderem Vorstand der Skandia Lebensversicherung AG in Berlin oder Geschäftsführer des schottischen Lebensversicherers Standard Live in Edinburgh), hat er für sich selbst keine kapitalbildende Lebensversicherung abgeschlossen, wie er im Interview mit Business-Leaders.net erzählte.

© Vertragshilfe24.de

Versicherungs-Insider Sven Enger (58) aus Hamburg © Vertragshilfe24.de

Mehr noch hilft er heute als Experte von Vertragshilfe24.de Kunden aus unrentablen Policen heraus. Die Gründerin des Serviceportals Vertragshilfe24.de, Liane Kirchenstein (58), eine erfahrene Unternehmerin aus Berlin und jetzt in der Schweiz ansässig, und ihr Team haben ein zweistufiges Ausstiegsverfahren aus einer unrentablen Lebensversicherung entwickelt, bei dem der Kunde ein Vielfaches aus dem Rückkaufswert herausbekommen kann, wie sie im Interview mit Business-Leaders.net erläuterte.

Interview mit Sven Enger zum § 163 VVG

Wir baten nun Sven Enger zum Interview über den § 163 VVG.

Scoredex.com: Herr Enger, Lebensversicherungsunternehmen werden in Deutschland durch den Gesetzgeber besonders geschützt. Was ist der Grund für diese Ausnahmeregelungen?

Sven Enger: „Die Politik ist, was dieses Thema angeht, in einer schwierigen Situation, denn sie muss Wege finden, um Insolvenzen der Versicherungen zu verhindern. Wenn man bedenkt, dass in Lebensversicherungen Summen investiert sind, die den Umfang des Bundeshaushaltes mehrfach übersteigen, wird klar, dass der Zusammenbruch eines großen Anbieters oder mehrerer kleineren verheerenden Auswirkungen haben kann. Die Konsequenzen wären nicht allein auf die Versicherungsbranche beschränkt, sondern haben das Potenzial, eine Wirtschaftskrise auszulösen. Das zu verhindern, ist das wichtigste Ziel der Politik und um es zu erreichen, werden Versicherungen unterschiedliche Instrumente an die Hand gegeben.“

Scoredex.com: Eine Möglichkeit besteht beispielsweise darin, die Beiträge zu erhöhen, auch wenn das bei Vertragsabschluss nicht angekündigt wurde. Auf welcher Grundlage darf so entschieden werden?

Sven Enger: „Geregelt ist dies in Paragraph 163 Versicherungsvertragsgesetz. Demnach dürfen die Versicherungen die Beiträge erhöhen, wenn sich die Rahmenbedingungen im Vergleich zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geändert haben. Im Vordergrund steht dabei, dass die Versicherungen zuverlässig in der Lage sein sollen, die zugesagten Leistungen zu erfüllen. Ist dies nicht dauerhaft gesichert, ist die Änderung der Prämien eine Möglichkeit, um die wirtschaftliche Stabilität des Unternehmens zu stärken.“

Keine Definition für veränderte Rahmenbedingungen

Scoredex.com: Wie realistisch ist es für den einzelnen Kunden, dass es wirklich zu einer überraschenden Beitragserhöhung kommt?

Sven Enger: „Das ist die entscheidende Frage, auf die niemand eine seriöse Antwort geben kann. Das Problem ist, dass bislang nicht definiert wurde, was der Gesetzgeber unter ‚veränderten Rahmenbedingungen‘ versteht. Zudem muss die Versicherung zwar nachweisen, dass sie ihre Leistungszusage ohne Änderung der Prämie langfristig nicht einhalten kann. Doch ab welchem Punkt kann man von ‚langfristig‘ sprechen? Und in welchem Ausmaß müssten die Zusagen unhaltbar werden? Hierzu geben weder der Paragraph 163 VVG noch Gerichtsurteile Auskunft. Für die Versicherten bleibt also nur die Ungewissheit, denn sie selbst werden von einer möglichen Beitragserhöhung erst dann erfahren, wenn es bereits zu spät ist.“

Scoredex.com: Müssen Versicherte dieses Risiko einfach hinnehmen? Oder können sie eine Beitragserhöhung vermeiden?

Sven Enger: „Wie gesagt, ist es äußerst schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, für Versicherungsnehmer zu erkennen, ob oder wann eine Änderung der Prämien anstehen könnte. Im Falle einer Lebensversicherung würde ich fast allen Kundinnen und Kunden dringend dazu raten, dieses Risiko gar nicht erst einzugehen. Wer einen Vertrag besitzt, sollte prüfen, ob eine Abwicklung möglich ist. Wird diese professionell durchgeführt, schützt man sich nicht nur vor unerwarteten Beitragserhöhungen, sondern kann gegenüber der Versicherung alle vorhandenen Ansprüche geltend machen. So befreit man sich aus einer ungewissen Situation und erhält zudem die Chance, weit mehr als den aktuellen Rückkaufswert der Police erstattet zu bekommen.“

Scoredex.com: Herr Enger, wir danken für das Interview.

Weitere Informationen zum §163 VVG und seinen Auswirkungen auf Versicherte finden Sie in diesem Videobeitrag von Sven Enger in Zusammenarbeit mit dem Verbraucherportal Vertragshilfe24.de.

Scoredex.com hat das Betreiber-Unternehmen Mitte Dezember 2023 neu eingewertet. Es hat Transparenz und Seriosität unter Beweis gestellt. Das Dossier finden Sie hier zum Herunterladen.

Außerdem stellte Liane Kirchenstein hier auf Scoredex.com klar, warum man getrost auf 10 Versicherungen verzichten kann.

Liane Kirchenstein (58) aus Berlin übernahm im November 2020 in Baar in derSchweiz als geschäftsführende Gesellschafterin und Verwaltungsrätin die Firma Konzeptional GmbH und betreibt seitdem mit dieser Firma den Service Pool Vertragshilfe24.de © Vertragshilfe24.de

Liane Kirchenstein (58) aus Berlin übernahm im November 2020 in Baar in der Schweiz als geschäftsführende Gesellschafterin und Verwaltungsrätin die Firma Konzeptional GmbH und betreibt seitdem mit dieser Firma den Service Pool Vertragshilfe24.de © Vertragshilfe24.de

Bleibt noch der Einwand: Unabhängiger Treuhänder

Eine Bedingung muss der Versicherungskonzern laut § 163 VVG dann doch für eine Prämienerhöhung oder Leistungskürzung erfüllen. Er muss einen Aktuar (Treuhänder) bestellen. Dessen Unabhängigkeit wird von der Finanzaufsichtsbehörde BaFin geprüft, die auch den Versicherungskonzern überprüft.

Doch wie unabhängig ist der Treuhänder wirklich?

Ein großer Streitpunkt bei allen Klagen gegen die Beitragserhöhungen war bisher, ob ein wichtiger Beteiligter unabhängig war: der Treuhänder, schrieb das Portal Finanztip.de im Februar 2022 am Beispiel der Privaten Krankenversicherung.

Für alle Versicherungen gilt: Vor jede Prämienerhöhung hat das Gesetz mit ihm einen Prüfer gestellt. Ein Treuhänder überprüft die technischen Berechnungsgrundlagen für die Beitragserhöhung und stimmt daraufhin der Erhöhung zu – oder lehnt sie ab.

Der Treuhänder muss laut Gesetz unabhängig sein (§ 203 Abs. 2 VVG). Denn eins ist klar: Je mehr er wirtschaftlich von einer Versicherung abhängig ist, desto eher kann sie ihn beeinflussen.

Kein Rechtsanspruch für Kunden

Der Bundesgerichtshof hat zur Unabhängigkeit des Treuhänders mittlerweile entschieden (Urteil vom 19. Dezember 2018, Az. IV ZR 255/17): Zivilgerichte dürfen in einem Rechtsstreit über eine Prämienanpassung nicht mehr prüfen, ob der Treuhänder unabhängig war. Diese Ansicht bestätigte er nochmal ausdrücklich im Dezember 2020 (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2020, Az. IV 314/19).

Die Unabhängigkeit von Prämientreuhändern muss im Rahmen der Versicherungsaufsicht geprüft werden. Das bedeutet aber nicht, dass der einzelne Versicherungsnehmer einen Rechtsanspruch auf Einschreiten der Aufsichtsbehörde BaFin hat, wenn aus seiner Sicht ein Treuhänder nicht unabhängig ist (VG Frankfurt/Main, Urteil vom 11. Februar 2021, Az. 7 K 3632/19.F).

(Autor: Frank Maiwald)