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Aktiengesellschaft
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Das Anlagereglement der RealUnit Schweiz AG vom 4. März 2025 offenbart eine konservative Anlagestrategie mit spezifischen Stärken und erheblichen Schwächen. Die Gesellschaft positioniert sich als krisenresistente Alternative zu traditionellen Portfoliofonds, weist jedoch strukturelle Probleme auf, die potenzielle Investoren kritisch bewerten sollten.
Die Analyse des Reglements zeigt eine stark auf die Schweiz fokussierte Strategie mit einem Mindestanteil von 60% Realwerten und einer Präferenz für außerbankarische Verwahrung. Während diese Ausrichtung in Krisenzeiten Stabilität bieten kann, birgt sie gleichzeitig Risiken durch Überkonzentration auf einen einzelnen Markt und möglicherweise unzureichende Diversifikation.
Besonders problematisch erscheinen die vagen Formulierungen bezüglich Kategorisierung von Anlageklassen, die mangelnde Präzision bei Risikomanagement-Parametern und die weitreichenden Ausnahmeregelungen, die dem Verwaltungsrat erhebliche Entscheidungsspielräume einräumen. Diese Faktoren könnten zu unvorhersehbaren Anlageentscheidungen führen und die Transparenz für Investoren erheblich einschränken.
Das Anlagereglement definiert als primäres Ziel eine Rendite nach Kosten und Steuern, welche die nominelle Entwicklung des schweizerischen Bruttoinlandsproduktes übertrifft. Diese Zielsetzung ist grundsätzlich nachvollziehbar, jedoch fehlen konkrete Angaben zur Zeithorizontbetrachtung und zur Messung dieser Outperformance. Die Definition von "konservativ" als langfristige Wertstabilität anstatt kurzfristiger Stabilität ist zwar konzeptionell richtig, lässt aber Raum für erhebliche Interpretationsspielräume.
Die historische Performance der RealUnit zeigt gemischte Ergebnisse. Während das Unternehmen in Krisenzeiten wie der Finanzkrise 2008/2009, der Corona-Pandemie 2020 und dem Ukraine-Krieg 2022 tatsächlich bessere Verlustbegrenzung als Vergleichsfonds erzielte, blieben die Renditen in Aufschwungphasen deutlich hinter aktienorientierten Strategien zurück. Dies wirft Fragen zur langfristigen Rentabilität und Attraktivität für Investoren auf, die über vollständige Marktzyklen hinweg investiert bleiben.
Kritisch zu hinterfragen ist auch die Fokussierung auf das schweizerische BIP als Benchmark. Diese Orientierung könnte in Zeiten schwacher schweizerischer Wirtschaftsentwicklung zu suboptimalen Ergebnissen führen und berücksichtigt nicht die zunehmende Globalisierung der Märkte. Eine diversifiziertere Benchmark-Struktur wäre angemessener.
Der strenge Schweizer Fokus des Anlagereglements stellt sowohl Stärke als auch erhebliche Schwäche der Strategie dar. Positiv ist die klare Positionierung auf einen politisch stabilen, wirtschaftlich entwickelten Markt mit starken Eigentumsrechten und geringer Staatsverschuldung. Die Schweiz gilt traditionell als sicherer Hafen für Kapital und bietet mit ihrer Währungsstabilität zusätzliche Sicherheit.
Allerdings führt diese geografische Konzentration zu erheblichen Diversifikationsdefiziten. Mit maximal 30% Auslandsanteil ist das Portfolio stark von der schweizerischen Wirtschaftsentwicklung abhängig, was bei einer strukturellen Schwäche der Schweizer Wirtschaft zu anhaltenden Underperformances führen könnte. Moderne Portfoliotheorie empfiehlt eine wesentlich breitere geografische Streuung zur Risikominimierung.
Besonders problematisch ist die Definition schweizerischer Vermögenswerte, die sich auf physische Präsenz oder Schweizer Domizil beschränkt. Diese Abgrenzung erfasst nicht die tatsächliche wirtschaftliche Exposition von Unternehmen und könnte zu Fehlallokationen führen. Ein multinationaler Konzern mit Schweizer Hauptsitz, aber überwiegend ausländischer Geschäftstätigkeit, würde vollständig als schweizerischer Vermögenswert klassifiziert.
Das Verwahrungskonzept der RealUnit mit dem Ziel, über 50% der Vermögenswerte außerhalb des Bankensystems zu verwahren, ist innovativ und zielt auf erhöhte Unabhängigkeit ab. Diese Strategie kann in Systemkrisen Vorteile bieten, birgt jedoch erhebliche operative Risiken. Die Verwahrung bei nicht-regulierten Institutionen erhöht das Ausfallrisiko und kann zu Problemen bei Liquiditätsbedarf führen.
Die Beschränkung auf maximal 40% der Vermögenswerte beim gleichen Dienstleister ist grundsätzlich sinnvoll, jedoch könnte diese Diversifikationsanforderung in der Praxis zu höheren Kosten und komplexerer Administration führen. Zudem fehlen klare Qualitätskriterien für die Auswahl der Verwahrungsdienstleister, was zu inadäquaten Sicherheitsstandards führen könnte.
Besonders kritisch ist die Möglichkeit, "jegliche Schweizer Dienstleister" für die Verwahrung zu verwenden, einschließlich nicht-regulierter Institutionen. Diese Flexibilität kann zwar Kosteneinsparungen ermöglichen, erhöht aber das operationelle Risiko erheblich. Investoren haben keine Garantie für einheitliche Sicherheitsstandards oder regulatorische Überwachung ihrer Vermögenswerte.
Die Unterteilung in Realwert- und Nominalanlagen mit einem Mindestanteil von 60% Realwerten folgt einem nachvollziehbaren inflationsschutzorientierten Ansatz. Jedoch ist die Definition dieser Kategorien problematisch unscharf. Die Kategorisierung nach dem "Wesen" der Anlage und der Faustregel bezüglich Geldentwertung lässt erhebliche Interpretationsspielräume offen.
Strukturierte Produkte, ETFs und inflationsgeschützte Anlagen pauschal als Nominalanlagen zu klassifizieren, ignoriert die Vielfalt und unterschiedlichen Risikocharakteristika dieser Instrumente. Ein physisch replizierender Aktien-ETF unterscheidet sich fundamental von einem synthetischen Derivat, wird aber gleich behandelt. Diese vereinfachende Kategorisierung könnte zu suboptimalen Anlageentscheidungen führen.
Die Beschränkung auf maximal 50% in derselben Asset-Klasse ist theoretisch sinnvoll, jedoch fehlen präzise Definitionen der Asset-Klassen. Die Abgrenzung zwischen Beteiligungen, Edelmetallen und anderen Realwerten bleibt unklar, was zu praktischen Problemen bei der Einhaltung der Limits führen kann.
Die Diversifikationsregeln des Anlagereglements weisen erhebliche Schwächen auf. Die 5%-Grenze pro Einzelunternehmen ist grundsätzlich angemessen, jedoch problematisch ist die Ausnahme für Kollektivanlagen. Länder- oder themenbasierte ETFs können erhebliche Konzentrationsrisiken bergen, die durch die pauschale Befreiung von den Diversifikationsregeln nicht adäquat erfasst werden.
Besonders kritisch ist die Möglichkeit, bis zu 50% in Technologie- oder Energiesektoren über entsprechende Kollektivanlagen zu investieren, ohne dass die normalen Diversifikationsregeln greifen. Dies kann zu erheblichen Sektorkonzentrationen führen, die dem konservativen Anlageansatz widersprechen und das Risikoprofil fundamental verändern.
Die Gruppensicht bei der 5%-Regel ist positiv, jedoch fehlen klare Definitionen von Konzernstrukturen. In komplexen Beteiligungsstrukturen kann die Zuordnung schwierig werden, was zu versehentlichen Überschreitungen der Limits führen könnte. Zudem berücksichtigt die Regel nicht indirekte Exposures über Kollektivanlagen oder strukturierte Produkte.
Die Einschränkungen bei Investitionen zeigen sowohl durchdachte Ansätze als auch problematische Vereinfachungen. Das Meiden von Staatsanleihen ist für eine konservative Strategie ungewöhnlich und könnte in deflationären Phasen oder bei Flucht in Qualität zu Nachteilen führen. Die Ausnahme für taktische Überlegungen ist zu vage formuliert und könnte missbraucht werden.
Die Verschuldungsklausel ist grundsätzlich sinnvoll, jedoch fehlt eine präzise Definition von "langfristig nicht tragbarer Verschuldung". Verschiedene Branchen haben unterschiedliche optimale Kapitalstrukturen, und eine pauschale Bewertung könnte zu systematischen Fehleinschätzungen führen. Ein Infrastrukturunternehmen mit hoher, aber stabiler Verschuldung könnte fälschlicherweise ausgeschlossen werden.
Die Verwendung der Norges Bank Exclusion List für ESG-Kriterien ist pragmatisch, jedoch problematisch. Diese Liste wurde für einen norwegischen Staatsfonds mit spezifischen ethischen Standards entwickelt und spiegelt möglicherweise nicht die Werte der RealUnit-Aktionäre wider. Die Möglichkeit zur Abweichung durch den Anlageausschuss ist zu intransparent und könnte zu inkonsistenten Entscheidungen führen.
Das Risikomanagement des Anlagereglements weist erhebliche Lücken auf. Es fehlen konkrete Angaben zu Liquiditätsmanagement, Bewertungsverfahren, Stresstests oder Szenarioanalysen. Diese Defizite sind besonders problematisch angesichts der teilweisen Fokussierung auf illiquide Anlageklassen wie Immobilien oder physische Edelmetalle.
Die Regelung zu illiquiden Anlagen, wonach bei passiven Verstößen gegen Höchstgrenzen kein Rebalancing erforderlich ist, kann zu dauerhaften Verletzungen der Anlagerichtlinien führen. Diese Flexibilität ist zwar praktisch nachvollziehbar, untergräbt jedoch die Glaubwürdigkeit der Diversifikationsregeln und kann zu erheblichen Konzentrationsrisiken führen.
Besonders kritisch ist das Fehlen von Liquiditätspuffern oder Notfallplänen. Bei unerwarteten Kapitalabflüssen oder Margin-Calls könnte das Unternehmen gezwungen sein, illiquide Positionen unter Marktwert zu veräußern. Die historischen Verluste von 2022, hauptsächlich durch Finanzanlagen und Kryptowährungen, zeigen bereits die Risiken unzureichenden Risikomanagements auf.
Die Governance-Struktur des Anlagereglements weist besorgniserregende Schwächen auf. Artikel 6 räumt dem Verwaltungsrat bei Einstimmigkeit die Möglichkeit ein, das gesamte Anlagereglement "vorübergehend oder dauerhaft" außer Kraft zu setzen. Diese weitreichende Vollmacht ist für Investoren hochproblematisch, da sie praktisch jede Anlageentscheidung ermöglicht.
Die Definition von "Ausnahmesituationen" ist zu vage und könnte weit interpretiert werden. Während echte Notfälle wie kriegerische Handlungen nachvollziehbar sind, könnten auch wirtschaftliche Verwerfungen oder Marktvolatilität als ausreichende Begründung herangezogen werden. Dies untergräbt die Verlässlichkeit der Anlagestrategie fundamental.
Das Erfordernis der Einstimmigkeit im Verwaltungsrat ist zwar eine gewisse Hürde, jedoch bei einem kleinen Gremium möglicherweise nicht ausreichend. Investoren haben keine Mitspracherechte bei derartigen fundamentalen Änderungen der Anlagestrategie, was dem Grundsatz der Aktionärsdemokratie widerspricht.
Das Anlagereglement weist erhebliche Transparenzdefizite auf. Viele Begriffe bleiben undefiniert oder vage, was zu Interpretationsspielräumen führt, die letztendlich zu Lasten der Investoren gehen können. Die Kategorisierung von Anlageklassen, die Definition angemessener Verschuldung oder die Bewertung von Ausnahmesituationen bleiben der Interpretation des Managements überlassen.
Kritisch ist auch das Fehlen regelmäßiger Berichtspflichten über die Einhaltung der Anlagerichtlinien. Investoren erhalten keine systematischen Informationen über Limit-Ausschöpfungen, Verstöße oder Abweichungen von der Strategie. Dies erschwert die Überwachung der Anlagetätigkeit und die Bewertung der Risiken erheblich.
Die historische Performance zeigt bereits Probleme in der Umsetzung der konservativen Strategie. Der Verlust von 2022 durch Finanzanlagen und Kryptowährungen wirft Fragen zur praktischen Anwendung der Anlagerichtlinien auf. Es bleibt unklar, wie diese Verluste mit dem konservativen Ansatz und den Diversifikationsregeln vereinbar sind.
Die kritische Analyse des Anlagereglements der RealUnit Schweiz AG offenbart eine ambivalente Bewertung. Positive Aspekte wie der Fokus auf Wertstabilität, die Bevorzugung von Realwerten und die historisch bewiesene Krisenresistenz stehen erheblichen strukturellen Schwächen gegenüber.
Die mangelnde Präzision vieler Regelungen, die weitreichenden Ausnahmebefugnisse des Verwaltungsrats und die unzureichende Diversifikation bergen erhebliche Risiken für Investoren. Besonders problematisch ist die Kombination aus geografischer Konzentration auf die Schweiz und der Möglichkeit, bis zu 50% in einzelne Asset-Klassen oder Sektoren über Kollektivanlagen zu investieren.
Für potenzielle Investoren ist zu empfehlen, die RealUnit nur als kleinen Baustein eines breit diversifizierten Portfolios zu betrachten. Die konservative Positionierung kann in Krisenzeiten stabilisierend wirken, sollte jedoch nicht als Kern-Investment verwendet werden. Vor einem Investment sollten Anleger sich über die aktuellen Holdings, die tatsächliche Diversifikation und die Governance-Praxis des Unternehmens detailliert informieren.
Das Anlagereglement bedarf dringender Überarbeitung, um die Transparenz zu erhöhen, die Diversifikationsregeln zu präzisieren und die Governance-Struktur zu verbessern. Bis dahin sollten Investoren die erheblichen Ermessensspielräume des Managements und die damit verbundenen Risiken sorgfältig abwägen.
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